Mobbing ist ein Begriff, der aus dem angelsächsischen Sprachgebrauch übernommen wurde. Von seiner Geschichte her reicht der Ausdruck sogar zurück bis ins Reich der alten Römer, also in die lateinische Sprache. Hier findet sich eine Formulierung „mobile vulgus“, was sinngemäß so viel bedeutet wie aufgewiegelte Volksmenge, Pöbel, unorganisierte soziale Massengruppierung mit sehr geringem oder völlig fehlendem Organisationsgrad, in der mit hoher Wahrscheinlichkeit aggressives, meist zerstörerisches Verhalten auftritt. Und wenn Ihnen mal wieder ein Mensch sagt, dass der Begriff „Mobbing“ doch bloß einer dieser neudeutschen Modeworte sei, können Sie ihm leicht entgegnen, wie sehr er sich bei dieser Annahme irrt. Denn der Begriff „Mob“ ist bereits 1860 in seiner Verwendung belegt als Ausdruck für den „Pöbel“, also die damalige unterste Gesellschaftsschicht.

Bis zum heutigen Gebrauch des Wortes Mobbing bedurfte es allerdings noch einer gewissen Entwicklung. Zunächst wurde dieser Begriff in der Verhaltensforschung für Tiere schärfer umrissen. Der bekannteste ist wohl der österreichische Zoologe und Verhaltensforscher Konrad Lorenz. Und sofort leuchtet ein Satz vor meinem inneren Auge: „Ja, der mit den Gänsen …!“ Die Gänse sind nämlich immer die Vermutung, wenn ich die Teilnehmer*innen in meinen Seminaren befrage, ob Ihnen Konrad Lorenz in irgendeinem Kontext bekannt geworden sei. Tatsächlich hat Lorenz sein erstes Graugansküken „Martina“ auf sich geprägt. Er stellte damit unter Beweis, dass nicht nur angeborene Verhaltensweisen, sondern Verhaltensmuster – in einer eng begrenzten Lebensphase erlernt – den Charakter eines Wesens in typischer Weise prägt. Er gilt als der Begründer der Tierpsychologie und der Verhaltensforschung. 1973 erhielt er mit zwei Kollegen den Nobelpreis für Medizin und Physiologie als erster Verhaltensforscher überhaupt.

Lorenz prägte den Mobbingbegriff durch Beobachtungen in der Tierwelt. Hier sah er, dass Graugänse sich zusammenrotten, um einen Fressfeind – hier einen Fuchs – zu vertreiben. Er nannte dieses Verhalten „hassen“, was auf Englisch übersetzt so viel wie „mobbing“ heißt. In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts machte eine Publikation eines schwedischen Mediziners Furore. Die Rede ist von Peter-Paul Heinemann. Heinemann floh wegen der Judenverfolgung nach Schweden, wo er sein medizinisches Schaffen begann. Er hatte in diesen Jahren eine Artikelreihe in einer Zeitschrift verfasst, die sich sehr intensiv mit dem Phänomen und dem Begriff Mobbing befasste. Heinemann hatte, angelehnt an das als Mobbing bezeichnete Verhalten der Tiere, ähnliche Phänomene bei Kindern beobachtet und dieses auch Mobbing genannt. Sein Buch „Mobbing-Gruppen Gewalt unter Kindern und Erwachsenen“ wurde in den skandinavischen Ländern sogar zu einem Bestseller und machte den Begriff in einer breiten Bevölkerungsschichte bekannt (Heinemann, 1972). Heinemann gilt heute als einer der Begründer der modernen Mobbingforschung.

Es sollte gute 20 Jahre dauern, bis der in Schweden lebende deutsche Arbeitspsychologe und Betriebswirt Heinz Leymann den Begriff Mobbing schärfer umriss und für Psychoterror am Arbeitsplatz spezifizierte. Für ihn war es unter anderem wichtig zu zeigen, dass Mobbing kein einmaliges Verhalten ist, sondern vielmehr einen Prozess darstellt, der sich in typischer Art und Weise eskaliert. „Eine Unverschämtheit einmal gesagt, ist und bleibt eine Unverschämtheit. Wiederholt sie sich aber jeden Tag über mehrere Wochen, dann sprechen wir von Mobbing.“ (Leymann, 1993, Seite 21). Leymann verstarb mit nur 66 Jahren 1999 in Stockholm an einem Krebsleiden. Er gilt als absoluter Pionier der Forschung in Bezug auf Mobbing am Arbeitsplatz. Falls Sie an Leymann‘s Wirken Interesse haben, schauen Sie gerne auf die auch heute noch existierende Webseite www.leyman.se. Sein Buch „Mobbing-Psychoterror am Arbeitsplatz“ (1993) gilt heute noch als Standardwerk. Seine grundlegende These war immer: Ursache für Mobbing ist nicht das Opfer, sondern die Organisation, Gestaltung und Leitung der Arbeit.

Dies bewirkte, dass Mobbing betroffene Personen heute mit Unterstützung und Beratung rechnen können und sich nicht noch zusätzlichen Anfeindungen darüber ausgesetzt sehen, dass sie überhaupt zur Zielscheibe von ständigen Beleidigungen, Verleumdungen, Intrigen oder gar körperlicher Gewalt geworden sind. Leymann definiert Mobbing folgendermaßen: „Mobbing beschreibt negative kommunikative Handlungen, die gegen eine Person gerichtet sind (von einer oder mehreren anderen) und die sehr oft und über einen längeren Zeitraum hinaus vorkommen und damit die Beziehung zwischen Täter und Opfer kennzeichnen“ (Leymann 1993). Erwähnenswert ist hier, dass es im angelsächsischen Raum ein Synonym für das Wort Mobbing gibt, welches inhaltlich weitgehend gleichbedeutend „Bullying“ genannt wird. Der Terminus „Bully“ bedeutet in der englischen Sprache so viel wie „Tyrannen“ oder „brutaler Mensch“. Und um die Verwirrung nun noch zu steigern sei schon an dieser Stelle erwähnt, dass der Begriff „Bullying“ hierzulande das Phänomen Mobbing in der Schule beschreibt.

Bericht: Torsten Gottschall